Mit über 100 veröffentlichten Kinderbüchern und zahlreichen Auszeichnungen gehört Erhard Dietl zu den bekanntesten deutschen Kinderbuchautoren- und Illustratoren. Katharina Mühe von Linie11 trifft den Erfinder der Olchis auf der Frankfurter Buchmesse und spricht mit Ihm über neue Projekte, Digitalisierung und Herzenswünsche.
Lieber Herr Dietl, die Olchis sind echte Stinkstiefel. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Ich komme wohl dem Olchi-Opa am nächsten. Der ist so ein bissel ein Träumer, aber auch ein Lügner. Er erfindet immer wieder neue Geschichten für die Olchi-Kinder. Wenn man das so sieht, mache ich ja auch gar nichts anderes.
Die Olchis feiern bald ihren 30 Geburtstag. Haben sie sich über die Zeit verändert?
Ja natürlich, sie sind gewachsen: Es kamen neue Figuren dazu und die Bücher haben sich verändert. Am Anfang gab es nur die Erstlesebücher – jetzt gibt es auch Bilderbücher, Taschenbücher, dicke Kinderbücher, Theaterstücke, Hörspiele… das gesamte Spektrum hat sich erweitert. Ich freue mich immer über neue Entwicklungen, ohne die vielen Baustellen wäre mir schon längst langweilig. Die Olchis kommen übrigens bald auch ins Kino!
Ihr nächstes großes Projekt ist dann also der Olchi-Kinofilm?
Ja, aber das machen eher andere. Da habe ich nur beim Drehbuch ein bissel mitzureden. Ich schreibe zurzeit aber auch an einem dicken Olchi-Kinderbuch, dann gibt’s noch ein Weihnachtsbilderbuch und danach… Tja, hab‘ ich vergessen. Aber es geht voran.
Was macht Ihnen dabei am meisten Spaß? Das Zeichnen, das Schreiben? Die neuen Projekte wie Theater und Kino?
Das ist eine schwierige Frage, denn mir macht alles Spaß. Die Theaterstücke waren spannend, weil ich mit vielen Schauspielern gearbeitet habe. Dialoge sind meine Stärke und das ist natürlich für das Theater optimal. Ich zeichne aber auch unglaublich gerne, als Pause vom Schreiben eignet sich das prima. Man muss darauf achten, dass alles lebendig und spannend bleibt.
Finden Sie, dass es gute und weniger gute Kinderbücher gibt? Was macht diese aus?
Ein gutes Kinderbuch spürt man, wenn man es gelesen hat. Man spürt, ob es ein gutes oder ein schlechtes Buch ist. Ist es oberflächlich und kitschig oder authentisch, stimmig, hat es neue Aspekte, ist es mit Liebe gemacht oder schnell runtergeschrieben. Ein gutes Buch hat eine Art Magie, die man beim Lesen spüren kann. Aber ich bin ja kein Wissenschaftler, ich weiß ja nicht mal, ob meine eigenen Bücher gut sind (lacht)!
Sie sagen Authentizität, neue Aspekte, Herz – wie bringen Sie das denn in Ihren Büchern unter?
Ich schreibe jedes Thema so gut ich kann. Auch wenn die Bücher vordergründig lustig sind, steckt immer eine kleine Botschaft dahinter. Dieser Gedanke ist mir wichtig und wenn man will, sieht man den auch hinter der fröhlichen, lustigen Fassade.
Haben Sie denn ein Lieblings-Olchi-Buch?
„Die Olchis und die Gully-Detektive von London“ und jetzt ganz aktuell, „Die Olchis und das Schrumpfpulver“. Das Bilderbuch vom Olchi-Opa mag auch ich auch gern, das ist so ein bisschen verrückter und versponnen.
Ein gutes Buch deckt immer auch neue Aspekte auf, sagen Sie. Brauchen die Olchis also jetzt ein Smartphone?
Also so direkt würde ich das jetzt nicht schreiben. Das Wort „Smartphone“ ist mir zu momentan, in fünf Jahren gibt es vielleicht schon gar keine mehr oder die heißen dann wieder anders. Ich würde den Begriff also nicht verwenden. Ich bin kein Technikfreak und habe dementsprechend auch keine Freude dran, Technik in die Bücher zu pflanzen. Das geht schließlich auch ohne – ich habe jetzt gerade eine Zeitmaschine gebaut. Technisch hoch kompliziert, aber vom Aussehen her total altmodisch und verrückt. Smartphones kennen die Kinder eh schon.
Kinder haben heutzutage eine riesige Auswahl an Medien. Sollten sie sich dennoch für das klassische Buch entscheiden? Warum?
Ich habe selber drei Kinder, zwei große und eine 7-jährige Tochter. Dadurch bin total integriert in das ganze Thema Kinderbuch, CDs etc. Wir benutzen das alles: Sie liebt die Bücher, hört gerne CDs und guckt gern Filme. Man kann das gar nicht mehr trennen, es hat mittlerweile alles seine Berechtigung. Das A und O für mich ist trotzdem das gedruckte Buch, aber alles andere kann man auch nicht ignorieren. Dafür ist die Entwicklung schon viel zu weit. Ich könnte auch gar nicht sagen, was besser oder schlechter ist. Man muss es einfach verwenden und gut ist’s. Aber ich glaube trotzdem, dass das gedruckte Buch den meisten immer noch am Herzen liegt.
Würden Sie denn sagen, dass Kinder heute andere Bücher als vor 30 Jahren brauchen?
Ja, sicher. Die Zeiten haben sich geändert, die Themen, die Bedürfnisse der Kinder… Das ist alles so vielfältig. Bücher sind ein Spiegel unserer Zeit, unserer Gesellschaft und natürlich brauchen sie andere Bücher, weil die Gesellschaft auch eine andere ist also vor 30 Jahren. Da die Autoren sich auch an der Stimmung der Gesellschaft orientieren, sind meine Bücher jetzt auch anders. Das wächst alles mit. Manchmal wird dann auch Nostalgie widergespiegelt, weil heute alles so schnell und hektisch ist. Das ist dann etwas Aktuelles, aber eigentlich kommt es aus der Vergangenheit.
Wenn Sie sagen, „Spiegel der Zeit“ – nehmen Sie dann von da auch Ihre Ideen her? Oder kommen die von Ihren Kindern?
Erstaunlicherweise nehme ich sehr wenig von meinen Kindern, das hat mich anfangs auch gewundert. Sie spiegeln mir oftmals nur das wider, was sie irgendwo gelesen haben. Mit den Ideen ist es im Grunde einfach: Man muss in sich gehen und drüber nachdenken. Manchmal passiert das auch im Austausch mit dem Verlag. Der ist mittlerweile so involviert in die Ideenfindung, dass wir dann solange diskutieren, bis wir ein spannendes Thema gefunden haben.
Die Themen Digitalisierung und Mediatisierung sind ja aktuell und wichtig. Könnten Sie sich vorstellen, mal ein Buch dazu zu schreiben?
Eventuell. Es wäre zum Beispiel möglich, die Olchis mit der Zeitmaschine in die Zukunft reisen zu lassen, beispielsweise auf eine Datenautobahn. Ich denke über sowas schon nach, aber da wird es dann natürlich schnell etwas schräg. Dazu kommt, dass ich mich mit der Thematik auch nicht wirklich auskenne, dadurch wird das Ganze dann doppelt schräg, aber natürlich auch wieder lustig. Ich sehe das Ganze Thema Digitalisierung immer aus der Perspektive der Olchis. Die nehmen das ganz anders wahr und fragen sich: „Was ist das denn?“. Wie ein Außerirdischer der von außen auf etwas guckt… genauso fühle ich mich auch. Ich wunder mich immer, dass es funktioniert, aber verstehen tu‘ ich das nicht. Prinzipiell kann ich mir das Thema also schon vorstellen, aber es muss natürlich in den Olchi-Kosmos passen und sinnvoll eingebettet sein.
Gab es denn schon mal ein Thema, über das sie schreiben wollten, aber noch nicht den richtigen Rahmen gefunden haben?
Nein. Sonst hätte ich das schon gemacht. Gustav Gorky aus dem All zum Beispiel, mein außerirdischer Reporter, das ist definitiv eines meiner Herzensbücher. Vielleicht kommt bald auch noch ein weiteres Herzensprojekt, aber dazu kann ich noch nichts verraten. Ich suche immer nach neuen Themen, auch neben den Olchis. Ob man es glaubt oder nicht, es gibt tatsächlich noch eine Welt außerhalb der Olchis für mich.
Wie sieht denn die Zukunft der Bücher aus, Ihrer Meinung nach?
Ich denke, das Buch wird immer noch präsent in der Zukunft sein. Das merke ich. Auch die Schulen machen da super mit, indem sie bestimmte Bücher immer wieder zum Thema machen. Ich kann jetzt natürlich nur von meinem kleinen Bereich ausgehen, ich weiß nicht, wie es anderen Autoren geht. Ich habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Das Buch ist ja ein wahnsinnig schönes Medium, warum sollte es sowas Schönes also nicht mehr geben. Solange ich auf dieser Welt noch was mitbekomme, hoffe ich, dass es Bücher gibt und wenn jemand irgendwann sagt: „Nee, Bücher mag ich nicht, ich schau nur noch was am Bildschirm“, dass ich dann schon nicht mehr da bin.
Das heißt also, ohne Bücher, ohne Sie?
Also so lange ich lebe, hätte ich schon gerne noch ein paar Bücher um mich rum. Alles andere mag ich mir gar nicht ausmalen… Ich persönlich bin einfach ein riesen Fan vom Buch. Das kann ich verschenken, in die Hand nehmen, drin blättern. Ich find das wahnsinnig schön. Es riecht auch besser (lacht).